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Jetzt aber mal Gas geben!

Globale Probleme verlangen nach globalen Lösungen. Denn sie gehen uns alle an. Nur: Wenn alle verantwortlich sind, handelt in der Regel ... niemand. Jede(r) wartet, bis der oder die andere etwas tut. Doch bei den ganz grossen «Brocken» wird die Zeit langsam knapp. Abwarten scheint also die schlechteste Option zu sein – vor allem, wenn Technologien bereitstehen, die unseren immensen CO2-Fussabdruck deutlich senken könnten, diese aber zu wenig genutzt würden.

Eigentlich einfache Schulmathematik: Wenn ich Schulden habe (in Form von CO2-Emissionen), brauche ich für ein ausgeglichenes Konto auch eine Art Guthaben (sprich: CO2-negative Technologien). Also: «Let's CO2UNTdown!» – was auch eine gewisse Dringlichkeit insinuiert …

Doch die Schweiz kann das Energie- und das damit verbundene Klimaproblem in der Tat nicht alleine lösen, eine Energieautarkie ist utopisch. Es gibt aber clevere Ideen, wie wir genügend Energie im «Sonnengürtel» der Erde ernten und diese dann – nach der Umwandlung in chemische Energieträger wie synthetisches Methan – speichern und überallhin verteilen und nutzen könnten. Und wenn wir dies so machen, wie sich dies einige Empa-Forschende zusammen mit einer Gruppe von Schweizer Unternehmen überlegt haben, könnten daraus in der Tat negative CO2-Emissionen resultieren. Das lässt sich aber, wie gesagt, ohne internationale Zusammenarbeit nicht umsetzen.

Im Zentrum dieses Konzepts steht die chemische Umwandlung von CO2 (aus der Atmosphäre) und H2O – Wasser – zu synthetischem Methan, also der exakt gleichen chemischen Verbindung wie der Hauptbestandteil von Erdgas. Um dessen Herstellung effizienter und einfacher zu machen, haben Empa-Forschende einen neuen Reaktortyp entwickelt, der es erlaubt, das Reaktionsprodukt direkt, also ohne aufwändiges Aufreinigen, zu nutzen. Et voilà: ein kreislaufgerechter Energieträger.

Geschlossene Stoffkreisläufe sind indes nicht nur beim Kohlenstoff eine gute Idee. Dem Kreislaufgedanken folgend arbeiten Empa-Forschende unter anderem daran, Platinen für die Elektronikindustrie aus nachwachsenden Rohstoffen zu entwickeln, die am Ende ihres «Lebens» einfach in der Grüntonne entsorgt werden können – ein Schritt hin zu einer «grünen» Elektronik mit deutlich geringerem CO2-Footprint. Die gleiche Idee steht hinter der Papierbatterie, die sich durch einen Tropfen Wasser einschalten lässt.

Damit liesse sich eine breite Palette von kleinen Elektronikgeräten mit geringem Stromverbrauch betreiben, etwa intelligente Etiketten zum Tracking von Objekten, Umweltsensoren oder medizinische Diagnosegeräte – und erst noch deren Umweltauswirkungen minimieren. Die Idee schaffte es sogar auf die Liste der bedeutendsten Erfindungen des Jahres des US-Magazins «TIME».

Noch einen Schritt weiter geht eine Idee zur Entwicklung eines neuartigen Dämmmaterials aus pflanzlichen Rohstoffen oder Abfällen, das das darin enthaltene CO2 durch eine spezielle Hitzebehandlung dauerhaft bindet – und somit als echte CO2-Senke fungiert. Zweiter Pluspunkt: Nach dem Rückbau der Gebäude kann diese «Pflanzenkohle» – die auch auf dem Bild oben zu sehen ist – mitsamt dem darin gebundenem CO2 auch noch im Ackerbau eingesetzt werden, um die Fruchtbarkeit der Böden zu erhöhen. Die viel versprechende Idee überzeugte vor kurzem gleich mehrere Förderinstitutionen, die unsere Forschung auf dem Weg zu NET ZERO nun finanziell unterstützen.

Autor: Michael Hagmann, Leiter Kommunikation, Empa.

Foto: Clevere Idee aus den Empa-Labors: ein neuartiges Dämmmaterial aus pflanzlichen Rohstoffen oder Abfällen, das das darin enthaltene CO2 durch Hitzebehandlung bindet – und somit als CO2-Senke fungiert.